In seinem Beitrag "5-Sterne-Journalismus" für das Online-Magazin "Neue Gegenwart" erklärt Thomas Rebbe, was Qualität in der Medienberichterstattung ausmacht und wie sie sich messen lässt. Rebbe kann aus der täglichen Berufspraxis berichten: Als Head of Editorial Content ist er verantwortlich für die Redaktion von WEB.DE und GMX. Rebbe ist überzeugt, dass es neben messbaren Zahlen vor allem einer berufsethischen Basis bedarf, um die Qualität im Journalismus zu sichern. 

UIM blickt im Blog-Flash speziell auf WEB.DE und GMX. Thomas Rebbe beantwortet Fragen zu Qualität im Online-Journalismus, Fake News und der Notwendigkeit von Angeboten ohne Pay-Schranke.

In der Vergangenheit wurde Qualitätsjournalismus häufig mit Print-Medien in Verbindung gebracht. WEB.DE und GMX gehören nach Reichweite und Aufrufen zu den größten Nachrichtenangeboten in Deutschland. Warum haben es Online-Medien schwerer, als Qualitätsmedium wahrgenommen zu werden? 
Die Produktion einer gedruckten Zeitung ist sehr kostenintensiv. Nicht jeder kann sich so etwas leisten. Das ist im Internet grundlegend anders. Hier kann jede und jeder zum Verleger oder zur Verlegerin werden. Neben klassischen Medienmarken tummeln sich zahllose Anbieter auf dem digitalen Medienmarkt. Für die Nutzerinnen und Nutzer ist dabei oft nicht direkt ersichtlich, wer hinter einem Medium steckt und ob dort die gleichen Sorgfaltspflichten angelegt werden, die man aus der Printwelt kannte. Auf der anderen Seite kann das Internet viel schneller auf Ereignisse reagieren und auch Fehler viel schneller aufdecken und korrigieren. Nur machen das leider nicht alle – zulasten einer markenübergreifend schlechteren Qualitätswahrnehmung im Internet.
Allerdings gibt es Unterschiede zwischen der objektiven und der wahrgenommenen Qualität. Ein Beispiel: Für die unabhängige Studie "Global Disinformation Index", kurz: GDI, werden weltweit einerseits die Inhalte von Online-Medien einer fachlichen Prüfung unterzogen – und andererseits Nutzer zur wahrgenommenen Qualität befragt. Die subjektive Einschätzung der Leserinnen und Leser ist dabei regelmäßig signifikant schlechter als die faktische. Anders formuliert: Online-Journalismus ist in sehr vielen Fällen viel besser als sein Ruf. 
 
Punkten WEB.DE und GMX eher mit breiten, unkritischen Themen? Gibt es auch Qualität bei Entertainment- und Celebrity-News? 
Qualität definiert sich ja nicht über das Thema, über das berichtet wird, sondern darüber, wie berichtet wird. Und da gibt es klare Maßstäbe, an denen wir uns orientieren, egal um welche Themen es geht – beispielsweise den Pressekodex, dem wir uns selbstverpflichtet haben. Es ist für uns kein Widerspruch, dabei die Interessen unserer Leserinnen und Leser zu berücksichtigen. Wir möchten kein Angebot aus dem medialen Elfenbeinturm sein, das an einem Großteil der Bevölkerung vorbei schreibt.
Ich beobachte aber auch eine Veränderung im Nutzerinteresse. Der Traffic-Anteil der nachrichtlichen Berichterstattung bei WEB.DE und GMX ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen – auch aufgrund der Corona-Pandemie. Unterhaltungsthemen werden dagegen tendenziell seltener aufgerufen.
 
Fake News sind ein Problem für alle Medien. Welchen Quellen vertraut die WEB.DE und GMX Redaktion?
Ein Problem für alle Medien – das würde ich so nicht sagen. Ein Thema für alle Medien: ja. Aber es gibt da schon große Unterschiede. Facebook, Google, Twitter und andere Plattformen, die von User Generated Content leben, sind für Fake News viel anfälliger als Medienmarken mit eigener Redaktion. Journalismus ist ein Handwerk, da gehört ein kritischer Umgang mit Quellen zu den Grundlagen. Insofern vertrauen wir erst einmal gar keiner Quelle. Wir arbeiten aber mit Partnern, die ihrerseits ebenfalls einen strengen Umgang mit Quellen pflegen, beispielsweise der Deutschen Presseagentur (dpa) oder auch dem Rechercheverbund Correctiv, deren Faktenchecks wir auf unseren Newsseiten veröffentlichen.
 
Die Auswahl der Quellen ist wichtig, ebenso relevant ist das Handwerk. Was muss ein Redakteur künftig für Qualitätsjournalismus mitbringen – Multi-Medien-Kompetenz, Social-Media-Erfahrung oder KI-Kenntnisse?
Schwer zu sagen, denn die Anforderungsprofile an Online-Redakteurinnen und Redakteure verändern sich fortlaufend und sehr schnell. Deshalb vielleicht: Veränderungskompetenz. Ich beobachte aber einen Gegentrend zum früher gern eingestellten "Allrounder", der irgendwie alles können sollte. Wir schauen bei Einstellungen heute viel stärker auf Spezialkenntnisse. Fachliche Schwerpunkte beispielsweise bei einer Politik-Redakteurin oder einem Politik-Redakteur sind zunehmend gefragt. Ohne Social-Media- oder Suchmaschinenoptimierungs-Kenntnisse wird es aber schwer. Was in den Stellenausschreibungen heute übrigens regelmäßig fehlt, ist die Anforderung an einen abgeschlossenen Hochschulabschluss. Praxiserfahrungen sind deutlich wichtiger. Und eine Anforderung ist die Jahre hinweg gleichgeblieben: Ohne Neugier geht es nicht.

Die Neugier der Leser wird zunehmend durch Bezahlschranken begrenzt. Warum funktioniert Qualität auch ohne Pay-Strategie?
Natürlich ist gute redaktionelle Arbeit nicht zum Nulltarif zu haben. Journalismus benötigt eine solide Finanzierung. Wir sind durch unsere hohen Reichweiten in der glücklichen Situation, alleine durch Werbevermarktung ein solides Geschäftsmodell zu haben. Da immer mehr Verlage mit Pay-Schranken arbeiten steigt damit zugleich unsere Verantwortung. Ich denke, dass für jede und jeden qualitativ guter Journalismus frei zugänglich sein sollte – gerade in Zeiten, in denen Fake News und Verschwörungsmythen so einen Zulauf haben. Wir möchten dafür ein verlässlicher und glaubwürdiger Partner sein.