Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat in einem offenen Brief die großen Plattformen aufgerufen, mehr Verantwortung für den digitalen Informationsraum zu zeigen. Dazu sollen sie verlässliche Quellen priorisieren und unabhängigen Journalismus unterstützen. Über 190 Medien weltweit haben den Brief unterzeichnet. Die Forderung: Große Tech-Plattformen sollen das Gütesiegel Journalism Trust Initiative (JTI) in ihre Algorithmen integrieren. Einer der Unterzeichner ist Thomas Rebbe, als Head of Editorial Content verantwortlich für die redaktionellen Angebote von WEB.DE und GMX. Die Initiative für vertrauenswürdigen Journalismus von Reporter ohne Grenzen wird durch Deloitte als unabhängiges Beratungsunternehmen geprüft. Leserinnen und Leser erhalten so einheitliche und nachvollziehbare Informationen beispielsweise zu Arbeitsweisen und Besitzverhältnissen der redaktionellen Angebote. 

Im Blog-Flash erklärt Thomas Rebbe die Hintergründe der Forderung.

Warum ist der offene Brief von Reporter ohne Grenzen nötig geworden?

Im Digital Service Act der EU sind den großen Plattformen Auflagen gemacht worden, dass sie gegen Hate Speech und Fake News vorgehen müssen. Im sogenannten ‘Code of Conduct on Disinformation’ sind dafür konkrete Vorschläge gemacht worden, unter anderem ist dort auch die Nutzung von Zertifikaten beispielsweise durch die Journalism Trust Initiative als eine Möglichkeit genannt worden. Nur: All das beruht auf einer freiwilligen Selbstregulierung. Leider fehlt es den großen Plattformen an Motivation, diese Selbstregulierung wirksam umzusetzen.

Was sind die größten Treiber für Fake News und Desinformationen – und wie geht Big Tech dagegen vor?

Es sind vor allem die Algorithmen der großen Plattformen, die Fake News und Desinformation so sehr treiben. Es ist bekannt, dass insbesondere Kontroversen und Meinungen zu mehr Nutzerinteraktionen führen – das wiederum belohnen die Algorithmen von X, TikTok, YouTube und anderen mit größerer Sichtbarkeit. Wer gezielt Desinformation verbreiten möchte, nutzt genau diese Mechanismen. Und selbst wenn Fake News im Nachhinein als solche entlarvt werden, ist die Sichtbarkeit dieser Korrekturen fast immer deutlich niedriger als die ursprüngliche Falschnachricht. Die großen Plattformen haben in den letzten Jahren durchaus versucht, mit größerem Personaleinsatz, KI und teilweise Kooperationen mit Fakten-Checkern dagegen vorzugehen. Aber durch die Abkündigung solcher Maßnahmen etwa von Meta ist deutlich geworden, dass auf diesem Thema ganz offensichtlich keine hohe Priorität liegt. Selbst Mark Zuckerberg bedient sich mittlerweile der Rhetorik von Verschwörungstheoretikern und radikalen Gruppen. Durch die Abschaffung von Faktenchecks werde die ‘freie Meinungsäußerung wiederhergestellt’. 

Es gibt mittlerweile mehrere Initiativen für vertrauenswürdige Medienangebote – gibt es erste Erfolge? 

Ja und Nein. Die Wahrnehmung für das Thema ist unzweifelhaft in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Es gibt kaum noch eine Studie zum Medienbereich, die das Thema Vertrauen nicht aufgreift. Zudem haben sich Formate entwickelt, die versuchen, zwischen Medien und Publikum eine neue Vertrauensbasis aufzubauen. Das Journalismus-Event b.future Festival in Bonn ist ein gutes Beispiel dafür. Leider zeigen sich grade diejenigen, die hier eine große Verantwortung hätten, erstaunlich desinteressiert – also natürlich vor allem die großen Plattformen.

Welche Vorteile hat JTI für WEB.DE und GMX als Publisher schon gebracht – und wie könnten die Angebote der US- Plattformen durch eine JTI-Integration in den Algorithmen profitieren?

Es geht darum, Quellen zu nennen, Meinung klar zu kennzeichnen und auch weit darüber hinaus die Arbeitsweisen offenzulegen, das schätzen die Menschen an WEB.DE und GMX. Auch die großen Plattformen könnten diese Effekte ganz einfach nutzen, indem sie sichtbar machen, bei welchen Quellen es sich um nachgewiesen professionell arbeitende Redaktionen mit klaren journalistischen Regeln handelt. Das würde Leserinnen und Lesern die Bewertung von Quellen deutlich vereinfachen.

Passend zu diesem Thema findet am 23.05.2025 der kostenfreie Workshop "Strategien gegen Desinformationen" statt. Veranstalter ist der Nachhaltigkeitspakt Medien. Die Details gibt es bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien.