Gastkommentar von Lars Lehne, CEO der SYZYGY AG

Ich kann die vielen Male schon gar nicht mehr zählen, wo Display-Werbung totgesagt wurde.  Bleiben am Ende doch nur Search und die unvermeidbare Weltherrschaft von Google übrig? YouTube hat ja bekanntlich ein Zielgruppen-Problem – also funktioniert Online- Video scheinbar auch nicht. Ist das Fazit somit: Es lebe das Fernsehen?

Wohl kaum. Schließlich tummeln sich Milliarden Menschen online. Folgen sie lediglich einem Impuls, den sie durch die Begegnung mit Offline-Medien bekommen haben? Und holen sie sich wirklich alle Adblocker, die sie im Zweifelsfall durch Display-Werbung gefunden haben, um dann der Display-Werbung den Garaus zu machen?

Diese Fragen lassen sich recht einfach beantworten: Display als primitivste Form von Online-Werbung ist in der Tat tot. Also die rechteckige, statische, schlecht bis gar nicht getargetete Display-Werbung, die kreativ auf dem Niveau von Schweinebauchanzeigen agiert. Hinzu kommt, dass sich die Onlinebranche in den vergangenen Jahren nicht eben mit Ruhm bekleckert hat, wenn es um Transparenz und korrekte Abrechnungen ging. Auch deswegen wird eine ganze Werbeform lieber totsagt, als in der Kategorie mal kräftig aufzuräumen.

Programmatic wird durch Smart Data zur Höchstform auflaufen
Die Wahrheit ist aber: Display lebt und ist aus Sicht der Werbungtreibenden erfolgreicher denn je. Dabei ist Programmatic in diesem Zusammenhang weit mehr als ein Buzzword der Medien, sondern vielmehr der entscheidende Katalysator, um endlich Transparenz und Wertschöpfung in die Prozesse zu bekommen. Targeting wird immer weiter perfektioniert und die Kreation hat sich bereits deutlich zum Positiven entwickelt. Eine gute Display-Kampagne liefert also belegbare Performance, wird in Ist-Zeit optimiert, kreativ angepasst und liefert einen messbaren Beitrag. Mit dem zunehmend smarten Umgang mit Daten ist unsere Branche darüber hinaus in der Lage, Display-Werbung zur richtigen Zeit an die richtige Person auf dem richtigen Device zu liefern und ist damit hoch relevant. Und zwar immer als Bestandteil eines ganzheitlichen Marken- und Kommunikationsauftritts im digitalen Raum. Display ist und bleibt also ein vitaler Bestandteil der Online-Kommunikation – je nach Aufgabenstellung und Zielsetzung mal mehr und mal weniger.

Natürlich erleben wir noch schlechtes Targeting. Wer kennt das nicht: Wenn ich ein Produkt gesucht habe, werde ich ständig von Bannern für dasselbe Produkt verfolgt. Nur weil ich es nicht gekauft habe, heißt das noch lange nicht, dass ich noch 20 Erinnerungen brauche, um es am Ende doch noch zu shoppen. Aber eines ist klar – die zur Verfügung stehenden Daten werden besser, die Datenquellen einheitlicher und mit zunehmender Intelligenz und Verarbeitungsgeschwindigkeit wird Programmatic in den nächsten Jahre zur Höchstform auflaufen und Werbung, wie wir sie kennen, fundamental verändern.

Eine wirtschaftlich erfolgreiche Gattung für tot zu erklären, ist Blödsinn
Für mich stellt sich hier die grundsätzliche Frage, ob wir dann überhaupt noch von einzelnen Werbeformen oder eher von einem ganzheitlichen Kommunikationskontext sprechen. Zu behaupten, Display sei tot, ist aus meiner Sicht genauso fahrlässig wie zu behaupten, dass Fernsehen keine Zukunft mehr habe. Ich streite mich gerne über die Qualität von Fernsehinhalten und Fernsehwerbung. Doch eine Gattung für tot zu erklären, die wirtschaftlich jedes Jahr erfolgreicher wird, ist schlicht Blödsinn. Solche Aussagen kommen ironischerweise immer von Vermarktern mit sehr offensichtlichem Eigeninteresse.

Natürlich wird Online-Video überproportional von einer bestimmten Zielgruppe konsumiert. Diese Zielgruppe wird größer, älter und wächst in einem anderen medialen Umfeld auf.  Tatsächlich wird dieser junge "Zielgruppen-Klumpen" irgendwann ohne das lineare Fernsehen existieren. Gut so, denn mal ehrlich: Wer braucht schon Promi Big Brother & Co.? Fremdschämen kann man sich auch im Netz.

Abgesehen davon wird der Tag kommen, an dem die gesamte Markenkommunikation von einem Server aus über alle Kanäle hinweg gesteuert wird. Indirekt entscheidet jeder einzelne User selbst, auf welchem Kanal und mit welcher Werbeform er bespielt wird. Es wird immer die Form sein, die für ihn im aktuellen Kontext die vielversprechendste ist. Und ich bin ganz sicher, dass Display-Werbung dabei weiter eine Rolle spielen wird. Auch wenn sie dann vielleicht anders heißt.