KI-generierte Bilder sind sicher schon einmal jedem Onliner untergekommen. Wie KI den Journalismus bereits beeinflusst und zukünftig verändern wird, bewerten Journalistinnen und Journalisten im ersten Teil der aktuellen Journalistenumfrage. Ein zentrales Problem, über das sich die Befragten einig sind: die Korrektheit der Fakten.

Das sind die zentralen Fragen, die wir den Fachjournalistinnen und Fachjournalisten gestellt haben:
1. Nutzen Sie generative KI-Tools wie ChatGPT bereits im Arbeitsalltag? Wenn ja, in welchen Fällen setzen Sie sie ein?
2. Wie beurteilen Sie generell den Einsatz von KI in den Medien: noch eine Spielerei, relevante Praxis oder Zukunftsthema?
3. Sollte der Einsatz von KI kennzeichnungspflichtig werden?

Tobias Weidemann, Freier Journalist, u.a. t3n:

1. “Ich nutze ChatGPT und die Writer-Funktion von DeepL regelmäßig im schreibenden Alltag, ChatGPT auch mit durchaus komplexeren Prompts und für regelmäßig anfallende Tasks. Zum einen bei den üblichen Kurztexten – von Anlauf über Social-Verteiltexte bis hin zu Bildunterschriften. Zum anderen auch beim Brainstorming und beim Finden von Argumenten und Ideen, denn auch hier kann ChatGPT gute Beiträge leisten. Ganze Texte entstehen zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aber auch mit guten und umfassenden Prompts nicht in der Qualität, wie meine Kunden sie brauchen und ich sie vertreten will. Hinzu kommt, dass ChatGPT gar nicht so viel Zeit einspart, wie wir uns das wünschen und wie es theoretisch möglich wäre. Denn bislang müssen wir ChatGPT noch an der verdammt kurzen Leine führen, weil wir sehen, wie erratisch und souverän-überzeugend uns das Tool immer mal wieder den größten Unsinn und falsche Fakten als Text anbietet. Das sehe ich gerade im hektischen Redaktionsalltag durchaus als Gefahr, die über kurz oder lang z. B. auch zu falschen Wirtschaftsmeldungen und ähnlichen Falschmeldungen führen könnte.”

2. "Ganz sicher werden ChatGPT und ähnliche Lösungen in den nächsten Jahren für uns alle, die wir am Bildschirm arbeiten, zu einer elektronischen Assistenz werden, die vieles erleichtert und beschleunigt. Künstliche Intelligenz wird zu unserem Berufsalltag dazugehören und ich kann jedem nur raten, sich mit KI-Tools nicht nur zu befassen, sondern sie auch aktiv zu erlernen. Denn wir werden sie eher in Monaten als in Jahren so selbstverständlich nutzen wie einen Internet-Browser oder den Taschenrechner. Andererseits werden KI-Tools weder Schreibende komplett ersetzen, noch werden sie so fehlerhaft bleiben, wie sie aktuell streckenweise noch sind. Eine Gefahr ist dies somit eher für Billigplattformen als für uns Fachjournalistinnen und Fachjournalisten. Ich sehe aber vor allem, dass Controllerinnen und Controller in den Verlagen und Medienunternehmen das Potenzial zu hoch einschätzen oder einfach die KI als scheinbar plausibles Argument nutzen, um Schreibende einzusparen und Arbeit bei den Verbleibenden zu verdichten. Was wir deswegen übrigens auch wieder mehr brauchen, sind die in der Vergangenheit vielfach eingesparten Faktenchecker und Schlussredakteurinnen und Schlussredakteure."

3. “Grundsätzlich ja – das ist einerseits eine Frage der Transparenz gegenüber den Leserinnen und Leser, aber auch eine Frage der Fairness gegenüber all jenen, deren Inhalte bei der Erstellung von Texten mit genutzt werden. Doch eine adäquate und aussagekräftige Kennzeichnung wird gar nicht so einfach sein, denn was ist schon ein mit KI entstandener Text? Der, bei dem ein Redakteur sich eine gängige Definition oder einen vielfach beschriebenen Sachverhalt formulieren lässt und die Bildunterschriften und den Anlauf durch ChatGPT generieren lässt? Oder erst der, der mit einem umfassenden Prompt komplett KI-basiert verfasst wurde und bei dem die KI nur das Thema vorgegeben bekam? Grundsätzlich – und da spreche ich natürlich auch als Amtsträger im Bayerischen Journalistenverband – müsste jede journalistische KI-Tätigkeit gekennzeichnet sein; aber das verwässert natürlich erst recht das Bild, weil wir in zwei Jahren alle irgendwelche Teilaufgaben mit KI machen werden, wenn wir schreiben. Ich glaube aber vor allem auch, dass wir uns in den nächsten Jahren auf branchenweite Guidelines und Selbstverpflichtungen einigen müssen, notfalls auch mit einer Klassifizierung.”

Lisa Priller-Gebhardt, Freie Journalistin, u.a. W&V:

1. “Ich nutze die KI-Tools zur Assistenz, allerdings sehr selektiv. Beispielsweise DeepL für Übersetzungen oder GoSpeech für Speech-to-Text-Umwandlungen. ChatGPT hat leider in der praktischen Erprobung nicht so gut abgeschnitten. Es kann das geforderte Sprachniveau nicht liefern, außerdem nimmt es die KI mit den Fakten nicht immer so genau. Ich nutze ChatGPT eher als Inspiration oder um – im Idealfall – auf Aspekte zu stoßen, die mir vorher nicht in den Sinn gekommen wären.”

2. "Für viele Medienunternehmen ist die KI bereits relevante Praxis und hat sich auch bewährt – Personalisierung von Nachrichten, Recherche in Audio-Datenbanken oder Empfehlungstools oder im automatisierten Journalismus (Sport- und Börsenberichterstattung). Mit generativen KI-Tools, die jetzt durch ChatGPT an Relevanz zugenommen haben, gewinnt man in der Content-Erstellung bislang noch wenig. Beispielsweise weil das eingespeiste Datenmaterial nur bis Ende 2021 geht und alle Fakten erst einmal nachgeprüft werden müssen. Im Bereich Nachrichten und investigativer Journalismus kann die KI den Menschen nie ersetzen. Bei der Erstellung von Gebrauchstexten, also Ratgeberartikel, Kochrezepte usw., ist sie schon heute stark im Einsatz, beispielsweise bei Ippen Digital."

3. “Der Einsatz von KI im Journalismus sollte unbedingt gekennzeichnet werden. Für viel Wirbel gesorgt hat das Rezept-Heft '99 Pasta-Rezepte' von Hubert Burda Media, das von KI erstellt wurde, aber nicht als solches gekennzeichnet war. Zahlreiche Medienunternehmen, wie die dpa oder der BR, haben inzwischen eigene Guidelines aufgesetzt.”

Heiner Sieger, Chefredakteur bei E-Commerce-Magazin und Digital Business Cloud:

1. “ChatGPT nutze ich selten, da es unausgereift ist, und teilweise falsche Antworten liefert. Das hält eher auf. Wir arbeiten aktuell, und da recherchiere und kommuniziere ich am besten mit Menschen, 'old-school' sozusagen.”

2. "In großen Medienbetrieben können KI-Tools durchaus Nutzen stiften, daher wird der Einsatz mit dem Fortschreiten der Entwicklung sicher noch breiter werden."

3. “Ich sehe das wie den Einsatz von Insekten bei Nahrungsmitteln und würde mir eine Kennzeichnung, sofern überhaupt umsetzbar, bei KI allein schon zur Verhinderung von Desinformation wünschen.”

Susanne Gillner, Chefredakteurin Internet World:

1. “Ja, wir nutzen KI-Tools im Alltag, primär für die Bereiche Text und Bild. In naher Zukunft sind weitere bekannte Anwendungsszenarien denkbar, etwa im Kundenservice etc.”

2. "Der Einsatz von KI in den Medien ist für diese überlebenswichtig und – auch wenn dies aktuell noch paradox klingen mag - ein effizientes Mittel, den Wert des eigenen Contents und der eigenen Fähigkeiten stärker zu betonen."

3. "Der Einsatz von KI muss dabei kennzeichnungspflichtig werden, um Menschen wie deren Leistung zu schützen, wenngleich dies auf lange Sicht zur Sisyphusarbeit werden dürfte."