In den Journalisten-Umfragen thematisiert der Vermarkterblog aktuelle Themen – dieses Mal geht es um Blockchain. Vier Journalisten erläutern den Einfluss der Blockchain-Technologie auf die Online-Branche und wer davon am meisten profitieren wird.

1. Wird die Blockchain-Technologie die Online-Marketing-Branche grundlegend verändern?

2. Wenn ja: Wer wird davon eher profitieren, wer wird durch die neue Technologie in seinem Geschäftsmodell bedroht?

Franziska Mozart, W&V:
1. Sie hat auf alle Fälle das Potenzial dazu. Die Blockchain-Technologie kann für mehr Transparenz, weniger Betrug und günstigere Preise sorgen.

2. Profitieren können verschiedene Parteien: Die Publisher, weil sie direkter an den Werbeeinnahmen verdienen können. Die Werbungtreibenden, weil die Preise günstiger sein können, wenn die Intermediäre ausgeschaltet werden. Weil sie mehr Kontrolle darüber haben können, wo ihre Werbung läuft und wer sie sieht. Die User, weil sie bei verschiedenen Konzepten sogar ihre Aufmerksamkeit als Währung einsetzen könnten.
Blockchain kann alle Geschäftsmodelle bedrohen, die auf Intransparenz und Betrug setzen.

Thomas Olbrisch, new business:
1. Grundsätzlich lässt sich aktuell eine ansteigende Dynamik rund um das Thema Blockchain beobachten: Neben etablierten Playern wie Alphabet, Bosch, Deutsche Bank und Starbucks versuchen auch Start Ups (Neufund, Lisk, Pey usw.) die Technologie für sich nutzbar zu machen. Mit Havas, Burda oder The Marketing Group vermeldeten zuletzt auch Medienunternehmen ihren Blockchain-Einstieg. Die spannende Frage ist: Lassen sich diese Vorstöße in ökonomisch relevante Use-Cases und Geschäftsmodelle konvertieren oder bleiben sie Experimente auf der sprichwörtlichen grünen Wiese? Beispielweise könnte eine Adtech Blockchain Programmatic Advertising transparenter und nachvollziehbarer machen und die auf Seiten der Werbungtreibenden beklagten Verluste durch Adfraud minimieren. Aber: Für eine Disruption der Online-Marketing-Branche durch die Blockchain-Technologie steht die Erfüllung wichtiger Voraussetzungen derzeit noch aus: die Sicherheit, Geschwindigkeit, Daten-Verlässlichkeit, Verfügbarkeit der Technologie. Selbst wenn diese Kriterien erfüllt sind, ist das Vertrauen von Kunden und Nutzern in die Technologie unerlässlich.

2. Beim Beschreiben von Szenarien oder belastbaren Prognosen befinden wir uns angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten entlang der digitalen Wertschöpfungskette im Bereich der Spekulation. Beispiel Mediaagentur: Die direkte Verbindung von Angebot und Nachfrage durch eine Adtech Blockchain könnte die Vermittler-Rolle zwischen Werbungtreibenden und Werbeinventar zukünftig überflüssig machen. Nach dieser Logik würden auch intermediäre Plattformen wie Facebook, Google oder Amazon entbehrlich. Für Werbungtreibende bieten sich hier große Chancen auf das Direktgeschäft mit den Endverbrauchern - sie dürften daher stark an der Blockchain-Implementierung interessiert sein und diese forcieren. Auch Medienanbieter könnten die Nutzung ihrer kostenpflichtigen Inhalte (Artikel, Musik oder Bewegtbild) per Smart Contract vereinfachen.

Doch bei all der Zukunftsmusik gibt es heute schon einige Gewinner der Blockchain-Technologie: PR-Agenturen. Die Blockchain-Technologie ist in der B2C und B2B-Kundenbeziehung gleichermaßen komplex und erklärungsbedürftig. Hier kam es in der jüngsten Vergangenheit zu Neugründungen im Bereich der "Blockchain-Kommunikation".  

Helmut van Rinsum, Internet World Business:
1. Davon kann man ausgehen. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen, wo im Marketing diese grundlegenden Veränderungen als erstes greifen – und wann. Denn in ihrem Alltag sind viele Unternehmen gerade mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Beispielsweise damit, ihren Onlineauftritt endlich auf mobile Usability zu trimmen, da wirkt die Blockchain-Debatte wie eine eher abgehobene Diskussion aus einer fernen Zukunft. Ein Durchbruch ist dann vorstellbar, wenn die großen Marketing-Cloud-Unternehmen wie Adobe die Blockchain-Technologie in ihre Systeme integrieren und den Kunden anbieten. Eines wird aber auch dann nicht eintreten: Dass die Blockchain alle Probleme der digitalen Wertschöpfungskette löst.

2. Profitieren könnte davon tatsächlich der Verbraucher, wenn er beispielsweise beim Kauf von Mode über die Blockchain einen lückenlosen und validen Herkunftsnachweis aller verwendeten Materialien und Dienstleister erhält. Hier könnten sich Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem sie Blockchains in diesem Sinne einer verbraucherorientierten Transparenz nutzen. Und bedroht? Durch die anhaltende Digitalisierung verändert sich die Arbeitswelt erheblich und kontinuierlich. Bedroht ist der, der diesen Veränderungsprozess nicht wahrhaben will und sein Geschäftsmodell nicht entsprechend anpasst.  

Christina Rose, ONEtoONE:
1. Ja. Es wird aber deutlich länger dauern als bislang angenommen. Denn der Erfolg digitalen Marketings hängt vom Umgang mit personenbezogenen Daten ab, was in Bezug auf Blockchain bedeutet: Deren kommerzielle Anwendung braucht Rechtsverbindlichkeit. Ohne entsprechende Regularien bleibt sie nur ein sehr komplexes technisches Gebilde.

2. Bei der Blockchain greift das Peer-to-Peer-Prinzip, bei dem die Vertragspartner ohne Intermediär auskommen. Das bedroht alle Geschäftsmodelle, bei denen eine Vermittlungsfunktion zentral ist. Marktplätze ließen sich theoretisch ersetzen, wenn via Blockchain Käufe und Verkäufe abgewickelt werden können, ohne dass einer der großen Anbieter zwischengeschaltet ist und kräftig mitkassiert. Das könnte das Kräfteverhältnis der großen Internet-Player grundlegend verändern.

Profitieren können die, denen die Möglichkeit, über eine Plattform geschäftliche Transaktionen vollautomatisiert, sich selbst organisierend, transparent und stabil per Algorithmus abwickeln zu können, klar bezifferbare Vorteile verschafft. Ein denkbares Szenario aus dem Versicherungsbereich sind zum Thema "Smart Contracts": Man schreibt Regeln und Bedingungen in die Blockchain und definiert so, dass zum Beispiel Versicherungsprämien beim Erreichen bestimmter Grenzwerte automatisch ausgezahlt werden. Ein manueller oder bestenfalls halbautomatischer Prüfprozess entfällt. Ein Landwirt könnte durch einen Smart Contract automatisch bei einer Dürre entschädigt werden. Alle nötigen Daten (Wetter, Ausmaß der Dürre o.ä., Höhe der Prämie) würden diverse Internet-of-Things-Sensoren an die Blockchain übermitteln. Die Kopplung von Blockchain und IoT ist deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor.